Preisvergaben

Der „Preis der Bodo Röhr Stiftung“ ist die bedeutendste Auszeichnung, die die Stiftung vergibt. Mit ihm werden außergewöhnliche Leistungen gewürdigt, die entweder einmalig und beispielgebend oder kontinuierlich und nachhaltig erbracht werden.
Darüber hinaus vergibt die Bodo Röhr Stiftung ab 2022 zunächst für drei Jahre einen „Preis für Archivforschung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern im Bereich der Germanistik“. Prämiert werden herausragende Arbeiten, die sich in besonders ergiebiger Weise mit Archivalien zur deutschen Sprache und Literatur befassen.
Eine Eigenbewerbung für die Preise ist nicht möglich. Die Gremien der Bodo Röhr Stiftung entscheiden im Rahmen der Vorgaben der Stiftungssatzung über die Vergabe der Preise und die Höhe des jeweiligen Preisgeldes.


Der „Preis der Bodo Röhr Stiftung“ geht 2022 an Antje Block und Jade Jakobs vom Ledigenheim in Hamburg

Für ihr herausragendes Engagement rund um das Ledigenheim Rehoffstraße wurden Antje Block und Jade Jakobs im Dezember 2022 mit dem „Preis der Bodo Röhr Stiftung“ ausgezeichnet. Er wurde erstmals verliehen, war mit 30.000 Euro dotiert und galt ihrem ehrenamtlichen Einsatz für eine Hamburger Institution.

„Dieses Projekt vereint beispielhaft die Anliegen und Vorgaben unseres Stifters: Denkmalschutz und kulturelles Engagement“, begründet Cornelius Brandi, Vorstandsvorsitzender der Bodo Röhr Stiftung, die Auszeichnung. „Vorbildlich ist der Einsatz der beiden Preisträger. Sie haben hier in außergewöhnlichem Maße Verantwortung für das Gemeinwohl der Stadt übernommen und damit Maßstäbe für die Hamburger Zivilgesellschaft gesetzt.“

Was gerade dieses Projekt so besonders macht:
Es ist eine verwirklichte Utopie, heute genau so wie 1912, als es im Rahmen eines größeren Sozialbau-Komplexes als preiswerte Unterkunft für ledige Männer eröffnet wurde. Das Heim, das nicht nur Unterkunft, sondern immer auch einen behüteten, familiären Rahmen für seine Bewohner bot, wurde eine hoch geschätzte Hamburgensie, bis ihr 2009 das Ende drohte. Das historische Gebäude wurde an einen Investor verkauft. Durch das unermüdliche Engagement der beiden Preisträger gelang es, mit der eigens gegründeten Stiftung Ros genug Geld zu sammeln, um es auch mit Hilfe der Stadt Hamburg zurück zu kaufen und damit das Gebäude für seine Bewohner zu erhalten. In Zeiten von Wohnungsnot und explodierenden Mieten ist das zeitgemäßer und notwendiger denn je. Der schöne Rotklinkerbau bedeutet eine riesige bauliche Herausforderung. Er befindet sich jetzt mitten in einer aufwendigen, teuren Modernisierungsphase, bei der die historische Bausubstanz erhalten und mit zeitgemäßen Unterkünften kombiniert werden soll. Das Ledigenheim beherbergt nicht nur ein gewachsenes, selbstverwaltetes Mehrgenerationen-Projekt, sondern bietet mit Veranstaltungen wie Lesungen und Konzerten auch einen kulturellen Anziehungspunkt für das ganze Quartier.

Mit der Auszeichnung überreichte Cornelius Brandi den beiden Preisträgern eine Bronzeskulptur des Bildhauers Manfred Sihle-Wissel.


Der „Preis für Archivforschung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern im Bereich der Germanistik“ wurde 2022 in Marbach an Dr. Ines Barner verliehen

Als “Kirche des unterirdischen Himmels“ bezeichnete der Schriftsteller Martin Walser einst das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Für Autoren und Forschende scheint es oft sogar der Himmel selbst zu sein; ein wahres Paradies an Wissensfülle, mit Schätzen, die ihresgleichen suchen. Zu den Beständen des Literaturarchivs zählen unikale Schriftstücke, Bilder und Objekte zur deutschsprachigen Literatur und Ideengeschichte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Darunter zum Beispiel die Nachlässe von Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und Heinrich Mann sowie bedeutende Materialien zu Leben und Werk von Franz Kafka.
Die Handschriften-Sammlung des Archivs enthält mehr als 1.400 Nach- und Vorlässe von Gelehrten, Philosophen und Germanisten. Neben persönlichen Archiven bilden Redaktions- und Verlagsarchive einen weiteren wichtigen Schwerpunkt. Das Literaturarchiv ist auf seinem Gebiet eine der renommiertesten Institutionen Europas. Es verwaltet das wertvolle Material nicht nur, sondern erschließt es und bietet es immer benutzer- und forschungsfreundlicher an, einen großen Teil inzwischen online.

„Archive dieser Art sind unser kollektives kulturelles Gedächtnis, und die Zusammenarbeit zwischen ihnen und ihren Nutzern bildet die Grundlage der germanistischen Forschung“, so Cornelius Brandi, der Vorstandsvorsitzende der Bodo Röhr Stiftung. „Sie leisten eine unschätzbaren Beitrag zur Erforschung und Fortentwicklung unserer Sprache und unserer Sprachkultur. Um dies zu würdigen und zu fördern, haben wir den „Preis für Archivforschung“ gestiftet und im letzten Jahr erstmals verliehen. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und zeichnet junge Wissenschaftler aus, die mit dem Material eines bestimmten Archivs besonders erfolgreich gearbeitet haben.“

Erste Preisträgerin ist die Literaturwissenschaftlerin Dr. Ines Barner von der ETH Zürich. In ihrer herausragenden Studie „Von anderer Hand“ leuchtet sie mit umfangreichem Zitatmaterial die komplexe Beziehung zwischen Autor und Lektor aus. Indirekt mit ihr geehrt wurde das Marbacher Archiv, dessen Bestände die Grundlage für den zentralen Teil ihrer Arbeit bildeten. So lag es nahe, dass der Preis in einer Feierstunde dort übergeben wurde.

Weitere Preisvergaben an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die an führenden Zentren für kultur- und sprachgeschichtliche Forschung in Deutschland arbeiten, werden folgen.


Umgang mit Sprache:
Theaterpädagogik im
Deutschen Schauspielhaus

„Lesen und Sprache – Literatur und Theater“: Unter diesem Motto wendet sich das Deutsche Schauspielhaus, das sich seit vielen Jahren auch der Kinder und Jugendkultur verschrieben hat, an sein junges Publikum. Im Fokus stehen vor allem Stadtteile und Stadtteilschulen, die auf regelmäßige Förderung weitgehend verzichten mußten. Gerade deren Schüler möchte die theaterpädagogische Abteilung in besonderer Weise ansprechen und für den Umgang mit Sprache und Literatur begeistern, unter anderem mit lebensnahen Workshops, Lesungen und Bühnenadaptionen.

Ein erfolgreiches Projekt, das von der Bodo Röhr Stiftung gefördert wurde.


Philosophieren mit Kindern:
„Gedankenflieger“

Kinder sind kreative Philosophen. Sie bringen alles mit, was es braucht, um auch die Gedankenwelt zu erforschen: Offenheit, unverbrauchte, naive Neugier, Entdeckerfreude und unkonventionelle Ansätze und Sichtweisen. Spannende Rätsel können sie begeistern, seien sie nun weltbewegend groß oder scheinbar unbedeutend klein.
Doch auch die lebendigste Phantasie braucht Nahrung, der intensivste Dialog eine Grundlage. Beides bietet das Junge Literaturhaus Hamburg mit seinem philosophischen Programm spezielll für Kinder im Grundschulalter – genannt „Gedankenflieger“.
Die einfache und zugleich faszinierende Frage: „Woher kommen die Gedanken?“ war der Start für eine Erfolgsgeschichte, die schon viele Jahre dauert.
Ein Erfolgsgeheimnis der „Gedankenflieger“ ist das reizvolle Kontrastprogramm zum Schulalltag. Geht es dort ums Beantworten von Fragen, so geht es im Jungen Literaturhaus um das Finden der Fragen selbst. Ausgehend von einer ausgewählten, vorgelesenen Geschichte lernen die Grundschulkinder hier etwas zu durchdenken, Gedanken zu teilen, im Gespräch gemeinsam einen roten Faden zu verfolgen und ihre Sprache und ihre Argumente immer weiter zu verfeinern. Die Kinder erfahren, dass entgegengesetzte Meinungen und ganz andere Ideen nicht etwa Aggression oder Ablehnung bedeuten, sondern eine Einladung zum Austausch, zur gegenseitigen Bereicherung und zur Akzeptanz auch abweichender Standpunkte.
Alles Fähigkeiten, ohne die eine Gesellschaft auf Dauer nicht gut funktionieren kann.

Der Bodo Röhr Stiftung liegt es am Herzen, das Junge Literaturhaus und seine „Gedankenflieger“ bei ihrer wertvollen Arbeit zu unterstützen.


„Die Arche“

Die „Arche“ in Hamburg-Jenfeld macht ihrem Namen alle Ehre: Sie ist ein viel gefragter Zufluchtsort für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren. Hier werden sie aufgefangen, hier finden sie ein verlässliches Umfeld, hier werden sie vom Kindergartenalter bis zum Berufseintritt unterstützt. Neben praktischen Alltagshilfen wie kostenfreiem Mittag- und Abendessen, Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfeunterricht und Kleiderkammer umfasst das Programm der „Arche“ auch vielfältige kulturelle und sportliche Angebote.
Die aktuelle Situation stellt den Verein vor besonders große Herausforderungen. Viele der betreuten Kinder und Jugendliche leiden stark unter den Folgen der Pandemie, und zudem nimmt der Zustrom von Flüchtlingskindern aus der Ukraine deutlich zu.
Allen Jugendlichen gemeinsam sind oft erhebliche Defizite in der deutschen Sprache, die eine Integration erschweren. Die „Arche“ nimmt sich dieser Probleme gezielt an und bietet ein umfassendes Angebot zur Sprachförderung. Es umfasst unter anderem Förderangebote im Lesen, Sprechen und Schreiben und kleine Sprachkurse für neu ins Land gekommene Kinder im Grundschulalter. Dazu gibt es sprachfördernde Freizeitprojekte wie Lese-Rallyes, Wissenquizze, Buchstabier-Wettbewerbe sowie Schreib- und Theaterprojekte. All das ist nicht nur hilfreich für den Spracherwerb, sondern zugleich auch praktische Integration.

Die Bodo Röhr Stiftung unterstützt die „Arche“ seit 2022.


Live-Hörspiel:
„Draußen vor der Tür“

Am 21. November 1947, vor 75 Jahren also, wurde in Hamburg ein Drama uraufgeführt, das Deutschland erschütterte: Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“. Das Stück wurde zum Klassiker, galt als Aufschrei einer Generation, die durch ihre Kriegserfahrung geprägt war und nun in einer Gesellschaft, die das kollektive.

Desaster schleunigst verdrängen wollte, keinen Platz mehr fand. Noch vor der Theaterpremiere in den Kammerspielen sendete damals der Norddeutsche Rundfunk eine Urfassung als Hörspiel. Sie kehrte nun 2022 zum Jubiläum sozusagen in ihre Heimat zurück. Die Hamburger Kammerspiele stellten sie in einer szenischen Lesung als Live-Hörspiel einem heutigen Publikum vor.
Die Stiftung hat diesen bemerkenswerten Abend gefördert.


Institution aus der Kaiserzeit:
Das Ledigenheim

Eine Hamburgensie der besonderen Art. 1912 ein bahnbrechendes Projekt, heute zeitgemäßer und notwendiger denn je – das ist das Ledigenheim in der Rehoffstraße in der Neustadt. Als das Haus in direkter Hafennähe kurz vor dem Ersten Weltkrieg eröffnet wurde, war es eine Antwort auf drängende soziale Probleme der wachsenden Metropole. Es bot Unterkunft für alleinstehende Männer, oft Seeleute, Hafenarbeiter oder Handwerker, die mit ihren geringen Löhnen kaum menschenwürdigen Wohnraum bezahlen konnten.
Das Gebäude steht für die Sozial- und Architekturgeschichte Hamburgs, doch es war von Anfang an nicht nur architektonisch bedeutsam, sondern es war zugleich ein sozial ambitioniertes Projekt. Der familienähnliche Rahmen bot denen ein echtes Zuhause, die nicht vom Glück begünstigt wurden, gab ihnen Halt und Stabilität. Heute leben 75 Männer in dem schönen Rotklinkerhaus in der Rehoffstraße. Trotzdem schien die Zukunft des Ledigenheims lange gefährdet, bis es der Stiftung Ros 2017 gelang, das Denkmal zu retten und mit neuem Leben zu erfüllen, auch mit kulturellem: Veranstaltungen wie Lesungen und Konzerte sorgen für ein vielfältiges Angebot, das vom ganzen Quartier gern angenommen wird.

Doch die nächste Herausforderung wartet schon.
Das Gebäude mit der zeittypisch verzierten Rotklinkerfassade muss umfassend saniert werden.
Die wertvolle historische Bausubstanz soll dabei mit einem modernen Wohnangebot kombiniert und heutigen Anforderungen angepasst werden.
Also wieder reichlich Arbeit, die sich aber in jeder Beziehung lohnen wird – und die Bodo Röhr Stiftung freut sich, ein derart gelungenes Projekt zu unterstützen.


Bundesjugendballett im
Ernst Deutsch Theater:
„Die Unsichtbaren“

Die Zeit des Nationalsozialismus ist auch an Deutschlands Tanztheatern nicht spurlos vorbei gegangen – ganz im Gegenteil. Der bislang eher verborgenen Geschichte von Tänzerinnen und Tänzern in dieser Zeit widmete sich daher eine neue Gemeinschaftsarbeit von Ernst Deutsch Theater und John Neumeiers Bundesjugendballett. In Neumeiers Stück „Die Unsichtbaren“ geht es ebenso um die Öffnung Deutschlands für moderne Tanzrichtungen in den 1920er Jahren wie um die Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Die Tanz-Collage reflektiert die Vorreiterrolle Deutschlands in den 1920er Jahren, als Choreographie-Größen wie Rudolf von Laban oder Mary Wigman die hiesige Tanzszene aufblühen ließen, bis der Nationalsozialismus diese Moderne abrupt beendete.
„Die Unsichtbaren“ waren ein komplexes Allround-Projekt mit 30 Aufführungen im Ernst Deutsch Theater zwischen Juni und Juli 2022. Dazu kam ein intensives theaterpädagogisches Rahmenprogramm: Begleitmaterial und Workshops im Theater oder in Schulen sollten junge Menschen sowohl emotional als auch intellektuell ansprechen und ihnen helfen, selbst Schlüsse zu ziehen, eigenständig Vergangenheit und Zukunft zu verbinden. Die Gemeinschaftsarbeit stand auch für einen Meilenstein, nämlich für zehn Jahre Bundesjugendballett.

Die Bodo Röhr Stiftung hat dieses ambitionierte Projekt gefördert.


Denkmalpflege und ein plattdeutsches
kirchliches Zentrum:
St. Georg zu Kirch Stück

Auch wenn der Schwerpunkt des Stiftungsengagements in Hamburg liegt, gibt es doch gelegentlich Projekte, die den Zwecken der Bodo Röhr Stiftung so sehr entsprechen, dass gern eine Ausnahme gemacht wird. Ein Musterbeispiel dafür ist der Förderverein der gotischen Backsteinkirche St. Georg zu Kirch Stück in Mecklenburg-Vorpommern. Ihm ist ein wahres Kunststück gelungen: Die historisch und architektonisch wertvolle Kirche aus dem 13. Jahrhundert nicht nur zu erhalten und fortlaufend zu restaurieren, sondern sie in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde auch erneut mit Leben und Kultur zu erfüllen. Passend fürs Fritz-Reuter-Land setzt man dabei auf kulturelle Veranstaltungen, die dem Erhalt der niederdeutschen Sprache gewidmet sind, die so selbstverständlich in dieses Umfeld gehört. In zehn Jahren entstand hier ein plattdeutsches kirchliches Zentrum für die ganze Region. Ein großes Ziel des Vereins war es, endlich zwei in den Weltkriegen eingeschmolzene Glocken zu ersetzen, denn der Glockenstuhl aus dem 15. Jahrhundert ist für drei Glocken ausgelegt. Für diesen Zweck gastierte unter anderem die überregional bekannte Fritz-Reuter-Bühne aus Schwerin in Kirch Stück. Die Bodo Röhr Stiftung finanzierte dieses Gastspiel, und so konnte der Gewinn aus der Aufführung vollständig den beiden neuen Glocken zugute kommen. Eine Glocke aus dem frühen 14. Jahrhundert war erhalten geblieben. Inzwischen hat die kleine Kirche, auch mit weiterer Unterstützung der Bodo Röhr Stiftung, wieder die ursprünglichen drei Glocken – eine vollkommene Verbindung von Denkmalpflege mit lebendiger Kultur und dem Erhalt der niederdeutschen Sprache.